Schwallungen, Gemeinde Schwallungen, Landkreis Schmalkalden-Meiningen, Henneberg-Franken (Südwestthüringen)
Kirmes in Schwallungen
Veranstalter
Kirmesgesellschaft Schwallungen
Zeitpunkt
drittes Augustwochenende
Beschreibung
Ablauf
Programm 2019
27.- 29. 29.2019 Kirmes im Bürgerzentrum
Historie :
Traditionell nach dem Einbringen der Ernte und dem Abschluss der Feldarbeiten wurde sie so Ende Oktober im ganzen Dorf begangen. Heute ist die Schwallunger Kirmes oft nur eine rein kommerzielle Angelegenheit, um den austragenden Vereinen Geld in die Kasse zu spülen. Früher war sie eine Veranstaltung unter breiter Einbeziehung aller dörflicher Traditionen, die ihre Wurzeln im christlichen Glauben haben. Kirmes ist eine Ableitung von – Kirchweih -. Das Dorf und die Kirchgemeinde feiern jährlich die Einweihung ihrer Kirche, die oft Jahrhunderte zurückreicht. Also eigentlich ein Fest der Kirche ,ein Fest des Glaubens. Da aber Dorf – Kirche- Landwirtschaft – Arbeit und Feiern früher fester zusammen geschweißt waren, der Zusammenhalt im Dorf bei jeglichen Angelegenheiten und Problemen breiter als heute ausgeprägt sich darstellte, war die Durchführung der Kirmes sowohl eine kirchliche, wie auch gleichzeitig eine weltliche Veranstaltung.
Der Unterschied zu heutigen Kirmes-veranstaltungen war eine umfassende Einbeziehung aller Lebensbereiche an diesen Tagen, d.h. die Kirmes fand auch im privaten Haushalt der Dorffamilien statt. Schon lange davor wurde mit den Vorbereitungen begonnen. Rahm wurde für den herrlichen Kirmeskuchen gesammelt. Die schönste Gans oder Ente wurde auf dem Hof für den Festtagsbraten ausgesucht, Brot gebacken, nach dem Gärungsprozess des hauseigenen Weines geschaut, Kirmeskleider selbst geschneidert und der Dorftratsch so richtig hoch geheizt, wer wohl zur diesjährigen Kirmes mit wem gehe usw.
In der Regel ging eine Kirmes von Freitag bis einschließlich Montag, also 4 Tage. Der Schlachtruf der Kirmesburschen lautete von Ort zu Ort unterschiedlich. Im Tal der Schmalkalde tönte es kräftig: „Drei – sass – nü – Töö – Kirmes“
In Schwallungen erklingt weithin der Ruf: „Vierze – Fuffze – Kirmes“.
Die Veranstaltungen fanden generell auf den Saal der Dorfkneipe, bzw. wenn vorhanden, auf allen Sälen der Gastwirtschaften statt. Kalte, herzlose Zeltkirmes, wie teils heute veranstaltet, war nicht vorstellbar. Rechtzeitig vorher wurde die Musik bestellt, oftmals Musikanten aus den umliegenden Nachbarsdörfern. Großartige Technik, wie Verstärker, Lichtshows oder gar Musik und Playback aus der Konserve waren unbekannt. Hausgemachte und – gespielte Blasmusik, unterstützt von einem auf jeden Saal vorhandenen Klavier, einem „Zerrwanst“ (Akkordeon), einer „dicken Berta“ (Zupfbass) und auch mal eine Geige standen im Mittelpunkt der musikalischen Darbietungen. Da gehörte auch halt mal ein krummes Tönchen dazu, was aber keinen störte. Die auswärtigen Musikanten wurden 3 Nächte bei Gastfamilien im Ort einquartiert. Für uns Kinder natürlich das Ereignis. Einen fremden Onkel, dazu noch ein Musikant, also einer der in unseren Augen die weite Welt kennt, bei uns am Tisch sitzend – da wurde jedes Wort von seinen Lippen abgelesen. Überhaupt war die Kirmes für die Dorfjugend das größte Ereignis im Jahr. Beinah gleichgestellt mit Ostern und Weihnachten. Oder noch besser, weil man da nicht ganz so unter Aufsicht stand, wie zu den genannten anderen Festtagen. Der Vater hatte auf dem Saal mit Biertrinken voll zu tun, die Mutter mit dem Festessen ihre Last und das neue Kleid musste ja beim Tanz auch ausgeführt werden. Mann bzw. Frau wollte ja auch gesehen werden. Die größeren Kinder versuchten schon mal, mit allen erdenklichen Tricks, an ein Bier ranzukommen. Ein Liter kostete damals so um die 1,60 Mark. Da wurde zusammengelegt und größere Jungs an die Theke geschickt. Auch kümmerte man sich in Sachen Bierholen sehr um den Vater, denn da fiel, ohne das er es bemerkte, hier und da mal ein Gläschen für uns ab. So 6 – 8 Jungens mussten sich dieses teilen. Ganz wie die Alten wurde dann versucht, den Liter anzutrinken. Es musste soviel Bier aus dem Glas heraus sein, dass beim Umkippen auf den Henkel kein Tropfen über den schräg gestellten Glasrand hinauslief. Dann war er angetrunken. Hier soll bei weitem nicht der Eindruck entstehen, die Kinder hätten Alkohol getrunken, um Gotteswillen nein – aber halt versucht, aus Neugierde und um anzugeben, wurde es schon einmal. Schlecht werden und in das nächste Gebüsch rennend, war die Quittung für diese „mutige“ Tat. Die Alten auf dem Saal oder in der Gaststube ließen es da schon anders krachen. Ja, es war ihr Fest, auf das sie sich schon das ganze Jahr freuten. Beliebt war das „Stiefeltrinken“. In dieses Glasgefäß, geformt wie ein richtiger Stiefel, passten so 2 Liter Bier. Am Anfang ging es ja mit dem Trinken. Aber zum Schluss zu, musste die Stiefelspitze so nach unten gedreht werden, dass das Bier nicht „gluckerte“. Mancher ungeschickter Zeitgenosse musste schon mal sein Hemd wechseln, wenn er durch falsches drehen des Stiefels das Bier nicht in der Kehle, sondern in das Gesicht oder auf den Oberkörper bekam. Schnaps wurde nicht wie heute in einzelne Gläser ausgeschenkt, sondern es kam generell ein „Viertele“, ein „Halber“ oder ein „Ganzer Karter“ auf den Tisch. Das waren klein geformte Glasfläschchen, in die der Schnaps aus der eigentlichen Flasche abgefüllt wurde. Das wird noch aus der Zeit herrühren, wo im Dorf eine eigene Braugerechtigkeit und Schankgenehmigung mit heute nicht mehr verwendeten Maßeinheiten existierte.
Aber zurück zum Ablauf der Kirmes. Am Freitagabend wurde die sie mit einem Gottesdienst eröffnet. Der Pfarrer segnete die folgenden Tage, erläuterte die Bedeutung der Kirchweih für den Ort im Zusammenhang mit der Geschichte der Dorfkirche und hob auch schon mal mahnend den Finger, dem Alkohol nicht übermäßig zuzusprechen und mehr Raum der Besinnung zu geben. Danach ging es mit Musik zum Kirmeslokal, wo eine geschmückte Tanne aufgestellt wurde.Die Kirmesburschen und Mädchen, das waren junge Männer und Frauen im heirats-fähigen Alter, hatten sich hübsch angezogen, sie im dorftypischen Trachtenrock, er im schwarzen Anzug mit der obligatorischen Kirmesschürze.
Dann ging es auf den Saal. Die Kirmes wurde von ihnen angetanzt und der Spaß konnte beginnen. Die Väter hatten schon Stunden vorher „Platz freigehalten“, denn die Kapazitäten der damaligen Säle waren begrenzt. Und wer wollte schon nicht bei so einem Fest dabei sein. Manchmal kam es schon vor, dass der eine oder der andere „Platzfreihalter“ den weiteren Verlauf der Festivitäten nicht mehr bis zum Schluss erlebte. Die Gründe lagen halt wie immer am Biertrinken schon während des Freihaltens der Sitzplätze für die Familie und die mahnenden Worte des Pfarrers waren auch vergessen.
Während der Tanzrunden wurden Extratouren gegeben, einerseits um verdienstvolle Mitbürger zu ehren, aber auch andererseits etwas zusätzliches Geld in die Kasse zu spülen. Da wurde schon sehr genau aufgepasst, wer eine Solche bekam und wehe den Kirmesburschen, wenn jemand vergessen wurde. Außerdem gab es für die Tänzer einen Gratisschnaps.
Punkt 24.00 Uhr war Kaffeepause. Alle Familien gingen nach Hause (oder wurden getragen?). Reihum lud man Nachbarsleute oder andere Kirmesgäste ein. Kaffee und der berühmte Kirmeskuchen kamen auf den Tisch. 00.45 Uhr waren alle wieder auf dem Saal und das Vergnügen ging bis in die frühen Morgenstunden weiter.
Am nächsten Morgen, natürlich wurde zuerst das Vieh gefüttert, begannen die Ständchen im Dorf. Von Haus zu Haus zogen die Kirmesburschen mit der Kirmeskapelle und brachten jeder Familie ein Ständchen. Die Kirmesburschen hatten „Kötzen“ (Tragebehältnisse) auf, in denen die gespendeten Lebensmittel, in der Hauptsache Eier, Speck, Brot, mal eine Knackwurst und eine Flasche selbst gemachter Wein eingesammelt wurden. Diese verzehrte man am Kirmesmontag dann gemeinsam.
Die Ständchen zogen sich bis in die späten Nachmittagsstunden hin. Bei manchen Häusern wurden, je nach der Höhe der Naturalienspenden, auch mehrere Musikstücke gespielt. Die Renner damals waren, wie teils auch noch heute: „ Im schönsten Wiesengrunde“, „ Die Post im Walde“, „Trink Brüderlein trink“, „Am Brunnen vor dem Tore“, „Treue Husar“, aber auch kirchliche Choräle. Da verging die Zeit. Es musste ja auch noch der Kirmeskuchen probiert, bzw. auf das Wohl der Kirmes und des Hausherrn im Besonderen angestoßen werden. Auch im Wirtshaus war schon wieder Betrieb und wir Kinder zogen als bunte Schar mit den Musikanten von Haus zu Haus – Kirmes eben. Abends war dann wieder Tanz auf dem Saal, so wie es am Freitag war und wie es die kommenden zwei Tage noch sein wird.
Der Sonntag früh stand ganz im Zeichen des musikalischen Frühschoppens. Nach dem Besuch des Gottesdienstes rückten alle Männer in das Wirtshaus ein. Die Frauen mussten zu Hause ja den Festtagsbraten und die Klöße herrichten. Der Frühschoppen fand nicht auf dem Saal, sondern in der Wirtsstube statt und da konnte es verdammt eng werden. Wehe es kam einer zu spät. Flugs organisierten die Kirmesburschen eine Leiter, der Delinquent zu Hause aus dem Bett geholt, im Schlafanzug auf die Leiter gelegt und in die Wirtsstube getragen. Eine Lokalrunde war das Mindeste was dem armen Burschen passieren konnte.
Der ausgedehnte Frühschoppen ging nahtlos in den Kindertanz über. Das war schon Schwerstarbeit für die Musikanten. Sie zogen wieder auf den Tanzsaal, Technik war ja nicht vonnöten und schon konnte es weitergehen.
Meistens waren die Omas und die Mütter schon auf dem Saal. Sie saßen um die Tanzfläche herum. Neben sich sittsam die Töchter, die schon absehbar in das heiratsfähige Alter kamen. Gespannt warteten Tochter, Mutter und vor allem die Oma, welcher Junge, welches Mädchen wie viele Male zum Tanz aufforderte. Das nährte dann für ein ganzes Jahr den Dorftratsch. Die kleineren Buben und Mädchen tollten auf dem Saal und bei der Kapelle auf der Bühne herum und hatten so auch ihren Spaß. Mittlerweile war schon wieder die Zeit herangekommen, die Plätze für den abendlichen Tanz freizuhalten. Das war natürlich Männersache. Aber zuvor musste noch schnell zu Hause das Vieh versorgt werden. Manche Kuh wird sich über die Lustigkeit ihres Herrn beim Füttern gewundert haben.
Kirmesumzug : .
InSchwallungen fand früher am Sonntagnachmittag ein Trachtenumzug statt. Es war schon herrlich anzusehen, wie die Kirmesmädchen in ihren Trachten oder auch mit ihren neu- und selbst geschneiderten Kleidern und die Burschen in Schwarz und Zylinder durch die Dorfstraße zogen. In manchen Dörfern gab es am Montag, nach dem gemeinsamen Essen, mit Eiern und Speck von den Ständchengaben, noch einen so genannten „Lumpenumzug“. Man verkleidete sich mit allem, was man in der häuslichen Rumpelkammer so auftreiben konnte. Dem Zug voraus wurde mit einer Schubkarre derjenige Kirmesgast gefahren, der den sichtbarsten Beweis des Biertrinkens nachweisen konnte. Oft wurde auch eine Ziege als „Ploatzkötz“ mitgeführt. Auf dem Saal wurde sie gemolken und die noch euterwarme Ziegenmilch in Schnapsgläschen reihum getrunken. Da musste man nach all den anderen konsumierten Getränken schon ziemlich geschmacks- und standfest sein, um dem Schluck eingenommener Ziegenmilch nicht wieder „Guten Tag“ zu sagen.
Mit einer Kirmesbeerdigung, wo Ereignisse und Personen des vergangenen Jahres spaßig kommentiert wurden ( Kirmespredigt ) , fand dann die Kirmes ihr Ende.
Peter Pilz/ Schwallungen